evor uns der letzte Müsliriegel aus den Waden gepresst wurde, entschieden wir uns noch für einen Kulturtag in Halberstadt – wahrlich groß genug, um dort den ganzen Tag mit Besonderheiten zu verbringen. Leider hatten wir nur den Vormittag Zeit, aber an diesem Tag hat sich einfach Eines zum Anderen ergeben… Nun aber der Reihe nach.
Wer einen besonderen Kulturschatz kennenlernen möchte, kann sich die Beck-Orgel (auch bekannt als Gröninger Orgel) in der Martinikirche genauer ansehen: Mit ihrem in den Jahren 1592 – 1596 errichteten Barockprospekt ist sie eine der ältesten noch erhaltenen (leider nur noch das Prospekt, die Pfeifen sind verfallen) Orgeln überhaupt. Sie wurde eigentlich für das Schloss in Gröningen angefertigt, aber 1770 verschenkte Friedrich der Grosse sie an die St. Martini Kirche, zu diesem Zeitpunkt war sie wohl bereits in einem unspielbaren Zustand, denn das Schloss war längst verfallen. Zur Zeit versuchen die Betreiber, sie bis 2021 wieder in den Originalzustand zu versetzen, dann kann auch der Klang wieder beurteilt werden, nicht nur die reichhaltigen Verzierungen. Sie hat sogar viele Monate im 2. Weltkrieg ohne Kirchen-Dach überdauert, ohne gröberen Schaden!
Und wem eine Orgel noch nicht reicht (und wer wirklich auf Experimente steht), der kann sich auch das John Cage Konzert geben. Eigentlich ist es viel mehr ein Kunstprojekt, welches sich mit dem Thema Zeit beschäftigt. Es wurde inspiriert von einem Stück von John Cage, welches folgenden Grundgedanken hat: As Slow As Possible. So wurde die Idee geboren, ein Konzert zu geben, wo jeder Akkord sieben Jahre lang dauert. Den ersten haben wir um wenige Monate verpasst, wir gehörten aber zu den ersten, die den zweiten Akkord hören konnten. Und wenn wir noch viel Fahrrad fahren und Gemüse essen, hören wir vielleicht sogar noch den Schluss – 9 Akkorde gibt es.
Danach ging es weiter nach Langenstein, ein Tipp der Führerin im John Cage Konzert. Dort gibt es heute noch die in den Jahren um 1850 angelegten Höhlenwohnungen. Bedingt durch hohe Grundstückspreise und arme Bevölkerungsschichten kam es zu der Idee, sich ein kleines felsiges Grundstück zu kaufen, welches aus Sandstein besteht, und sich selbst mit der Spitzhacke sein Haus heineinzuhauen. So entstanden einige 30 m² Wohnungen, die von Landarbeitern in vielen Generationen bewohnt wurden. Die Wohnungen hatten erstaunliche 20°C im Winter zu bieten – der Buntsandstein speichert die Wärme des Kohlenofens optimal. Da nur 2-3 Fensteröffnungen vorgesehen waren, erreichten die damaligen Buden fast heutigen Passivhausstandard!
Abgerundet wurde der Tag mit einem (für Silja´s Geschmack VIEL zu kurzen) Besuch in Quedlinburg, ebenfalls einer wunderschönen Stadt unweit von Halberstadt. Die Stiftskirche thront über der sehr ausgedehnten Fachwerkaltstadt.
Am Weg nach Thale am Fusse des Harz erhaschten wir noch Blicke auf die Teufelsmauer, einer Sandsteinformation, die wie ein Krokodilsrücken aus den Feldern ragt…rund um den Harz gibt es für Geologen viele Kostbarkeiten zu entdecken…der Erzreichtum der Gegend ist ja ein weiteres Beispiel dafür.